michaela und ich reisen der suppe hinterher. sie ist auf dem weg von münchen nach berlin.
wir sollten sie am späten nachmittag im berliner stadtteil prenzlauer berg in einer kneipe mit dem namen seeblick treffen. nach den turbulenten tagen in den südtiroler bergen und der begeisterten aufnahme in münchen sind wir gespannt wie sie aussieht – die suppe.
wir brechen zeitig in der früh in wien auf, fahren über prag, sachsen und thüringen richtung berlin, wo wir wie vereinbart um 17h eintreffen. die suppe ist bereits da. wohlbehalten, gut genährt und vielfältig angereichert ist sie gegen mittag angekommen. der soupcase hat sich dank der münchner eingriffe stark verwandelt. jetzt sieht er wirklich weit gereist aus.
runhild wohnt zwei stockwerke über dem seeblick. sie erwartet uns bereits und teilt uns mit, dass der ursprünglich geplante suppenevent in der galerie A kurzfristig abgesagt worden ist. allerdings – wie bei der suppe üblich – gibt es bereits ersatz. runhild und hartmut bereiten alles für die suppe vor und der koch vom seeblick ist so freundlich und läßt die suppe auf seinem herd gar kochen.
wir befinden uns im ehemaligen ostteil berlins, mitten im historischen zentrum der stadt. in der rykestrasse stehen vorwiegend sensibel sanierte bürgerhäuser mit altbauwohnungen. zwei gassen weiter befindet sich der käthe kollwitzplatz und die käthe kollwitzstraße. es sind ruhige gassen, in denen sich eine kneipe an die andere reiht, in denen neue geschäfte, boutiquen, bioläden und ateliers die atmosphäre großstädtischen lebens mit dem charme der bohème verbinden. nicht weit von hier befindet sich der alexanderplatz. berühmt durch alfred döblins gleichnamigen roman, durch den fernsehturm, das marx-, engelsdenkmal und den palast der republik.
der palast der republik ist eine riesige baustelle. auf der bautafel steht: „selektiver rückbau des palastes der republik“. es ist eine wirklich gigantische baustelle, mit riesigen in die höhe ragenden betonstümpfen, rostigen stahlträgern, verbogenen armierungseisen, tiefen baugruben, schutthalden und diversen schweren baumaschinen. ich frage mich, was bedeutet „selektiver rückbau“ in diesem fall. heißt das, dass irgendein fundamentteil oder ein aufzugsschacht für eine neubebauung stehenbleibt? wenn ja, dann hat der selektionsprozeß zumindest jeden äußeren sichtbaren teil des republikpalastes entfernt. versteht man selektiven rückbau als den rückbau einer auswahl, so wurde offensichtlich das ganze ausgewählt. auch die bezeichnung „rückbau“ scheint mir reichlich euphemistisch. natürlich kann man einen abriss auch als rückbau bezeichnen. es muß also einige gute gründe gegeben haben, warum auf der bautafel nicht abriß des palastes der republik, sondern selektiver rückbau steht. und ich frage mich, warum man hier ein gebäude mit nicht unbeträchtlichem symbolwert zur gänze niederreißt. ich werde darauf in einigen tagen antwort bekommen.
an diesem abend sitzen wir im biergarten des seeblick zusammen mit runhild, hartmut und einigen ihrer freunde und essen die ausgezeichnete und reichliche asiatische rykesuppe. und dann wäre beinahe der suppengau passiert. wir haben mit dem koch vereinbart, dass mindestens ein halber liter suppe für die weitergabe übrig bleiben muß. als nach überreichlicher suppensättigung die zeit des aufbruch gekomme ist, geht hartmut in die küche und kommt mit einem kleinen schüsselchen und einem häufchen suppe zurück. der wirklich allerletzte rest! denkt denn der koch nicht mit! nun, wir einigen uns darauf, dass dieser rest in konzentrierter form genügend suppe für die weitergabe beinhaltet, da der reis die flüssigkeit und damit die information aufgesogen und bewahrt hat. hartmut verdünnt mit wasser auf einen halben liter, kocht kurz auf, püriert das ganze und siebt es vorschriftsmäßig ab. gerettet!
|