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als eines der ältesten gekochten nahrungsmittel ist die suppe bis heute in allen küchen zuhause. sie findet sich in der alltagsküche, sie erscheint auf festtagsbanketten, sie ist trost und sättigung in den armenküchen, als klostersuppe speist sie die bedürftigen und darbenden, sie ist zuhause bei arm und bei reich, bei den guten und bei den schlechten, bei den fressern und schlemmern und bei den fastenden und hungernden. und so verschieden wie die stationen ihrer einkehr, so verschieden und vielfältig ist sie selbst: dünn und wässrig, dick und üppig, süß, pikant oder sauer, heiß oder kalt, mit gemüse, mit fleisch, mit fisch, gebunden oder ungebunden, eine opulente mahlzeit, ein kleines zwischengericht, nahrung für die rekonvaleszenten, letzte hoffnung für den ausgezehrten.

keine andere speise kommt der suppe, was vielfalt und variationsreichtum anbelangt, gleich. ihre grundlage ist das wasser, aus dem nicht nur alles leben entspringt, sondern das auch hauptbestandteil alles lebendigen ist. von der qualle bis zum menschen besteht die lebendige nahrungskette zu 60% bis 90 % aus wasser, oder besser gesagt - aus suppe. denn weder entstand das leben aus reinem H2O, noch fließt reines wasser in den kanälen der organismen. dieses lebendige wasser war und ist suppe, d.h. mit allen möglichen zutaten angereicherte, aromatisierte, nahrhafte flüssigkeit. vom einfachsten petersilienwasser bis zum opulentesten pot au feu, ist die suppe das unendlich abwandelbare, erneuerbare, variierbare gericht, dem nichts fremd und dem keine zutat abträglich, das nicht ausschließend, sondern zusammenführend, verbindend und genussreich ist. diese suppe stellt für jeden geschmack etwas bereit. sie ist geduldig und sanft. sie nimmt immer wieder neues auf und verbindet dieses neue mit dem alten. sie versöhnt die gegensätze, indem sie das scharfe mildert, das bittere abschwächt, das süße verteilt, das saure dosiert, das salzige zähmt, indem sie die roten säfte des fleisches mit den bunten wässern der gemüse und dem meerwasser der fische zusammenfügt, indem sie in einer alchemistischen synthese alle unterschiedlichen zutaten zu einem harmonischen extrakt amalgamiert. die suppe und alle ihre soßigen abarten sind gerichte der synthese.

die suppe vereint. sie vereint die geschmäcker und sie vereint die esser. eine wirklich gute suppe wird immer für eine große anzahl von personen gekocht. für eine olla potrida sind 20 personen ein minimum und für das curanto sollte es zumindest ein ganzes dorf sein.

deshalb eignet sich die suppe auch als metapher für die einheit im vielfältigen, für die vielheit im einfältigen. wenn man eine unbekannte suppe kostet, wird man im fremden das vertraute schmecken und wenn man der gewohnten, alltäglichen suppe nachschmeckt, dann wird man feststellen, dass in ihr ein rest von unbekanntem, unheimlichem versteckt ist. so wie in jedem fremden menschen sich das jedem vetraute, bekannte wahrnehmen läßt, so findet sich in jedem von uns das unheimliche, das unverständliche, das absurde.

das fremde des fremden ist also das fremde in uns selbst und das vertraute ist gerade das, was wir mit dem anderen teilen und gemeinsam haben. dieses verhältnis und diesen geschmack bringt die suppe als wohlschmeckende metapher zum ausdruck.

um diesen geschmack geht es bei dem jahressuppenprojekt. die suppe sammelt diesen geschmack auf ihren reisen von stadt zu stadt, bei ihren wanderungen durch und übers land. sie kehrt ein in resopalbeschichtete neubauküchen, in altmodische, patinierte wohnküchen, in designerküchen und haubenküchen, in singlehaushalte und großfamilien. so entsteht am ende der reise ein geschmacksbild, das nicht nur eine symbolische metapher darstellt, sondern das konkreter ausdruck dafür ist, dass menschen aus unterschiedlichsten ländern, kulturen und milieus gemeinsam eine suppe gekocht und gegessen haben.